Laufradbau

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Warum Laufräder bauen?

Die weit verbreitete Verfügbarkeit von preiswerten und (teilweise) gut gebauten Ersatzlaufrädern hat die Notwendigkeit in Fahrradläden reduziert, Laufräder zu bauen. Trotzdem gibt es Gelegenheiten, bei denen speziell angefertigte (oder neu aufgebaute) Laufräder benötigt werden. Insbesondere trifft dies für hochwertige Fahrräder zu, bei denen neue Felgen benötigt werden und es zu schade wäre, die teuren Naben wegzuwerfen.

Ein wichtiger Schritt in der Ausbildung eines Fahrradmechanikers ist es, Laufräder bauen zu können. Ein Mechaniker, der diese Fertigkeit nicht erlernt hat, darf sich nicht als voll qualifiziert und professionell bezeichnen und wird sich immer denjenigen unterlegen fühlen, die Laufradbau zu ihren Fertigkeiten zählen können.

Obwohl dieser Artikel ursprünglich nur für Fahrradmechaniker gedacht war, ist doch das Wissen um Laufradbau auch für Fahrradfahrer, die selbst Wartung und Reparatur Ihrer Räder vornehmen wollen, unbezahlbar.

Ein Neuaufbau von Laufrädern ist auch der beste Weg, die Kunst des Zentrierens zu erlernen. So bekommt man ein Gefühl dafür, wie das Laufrad auf Veränderungen des Speichenzugs reagiert. Es ist wesentlich einfacher, mit neuen unbeschädigten Teilen als mit der Reparatur von beschädigten Laufrädern zu starten.

Der Start

Ein erfahrener Laufradbauer kann ein Laufrad in unter einer Stunde aufbauen - inklusive Zentrieren. Ein Anfänger sollte jedoch mehrere Stunden für diese Aufgabe einplanen. Am besten sollte man nicht versuchen, diese Aufgabe in einer Sitzung zu erledigen, weil man leicht über seine Langsamkeit beim Zentriervorgang furstiert sein könnte. Es ist besser, die Aufgabe über Nacht ruhen zu lassen, statt unvorsichtig zu werden und ein im Werden begriffenes Laufrad zu ruinieren.

Dieser Artikel konzentriert sich auf den Aufbau eines Hinterrads, weil dies der schwierigere Part ist. Für den Aufbau von Vorderrädern denke man sich den entsprechenden Teil weg, der hier nicht passt. Die Aufbaubeschreibung wird sich mit einem 36-Speichen-Rad befassen.

Falls Du ein 32-Speichen-Laufrad aufbaust, ersetze einfach jeweils die "36" mit "32", die "18" mit "16" und die "9" mit "8".

Ähnliche Ersetzungsregeln gelten für andere Speichenzahlen.

Werkzeuge

Du benötigst einen kleinen Schlitz-Schraubendreher, einen Speichennippelschlüssel (Sheldon Brown benutzte einen DT Speichennippelschlüssel, aber nicht jeder mag schließlich einen solchen für 50$ besitzen. Sein bevorzugter preiswerterer Speichennnippelschlüssel ist einer aus Plastik mit einem Metallbit, der so genannte "Spokey"), ein Zentrierständer und eine Zentrierlehre.

Zusätzlich ist ein Speichentensiometer und ein Akkuschrauber mit einem passenden Bit hilfreich. (Sheldon Brown nutzte bevorzugt einen abgenutzten Philips-Bit, an dem er zwei der vier Finnen zu einer Art flachen Klinge abgefeilt hatte. Der Stift passt in das Loch in der Mitte des Nippels, sodass der Schraubendreher nicht abrutschen kann.)

Materialen

Naben

Alle modernen Naben von ordentlicher Qualität sind aus Aluminium. Naben von höherer Qualität sind geschmiedet. Nur geschmiedete Naben sollten für radial eingespeichte Vorderräder benutzt werden. Sheldon Brown rät dringend vom Einsatz von "Boutique"-Naben ab, die CNC-gefräst sind, da ihre Flansche normalerweise schwächer sind als diejenigen geschmiedeter Naben.

Falls Du neue Naben kaufst, haben Shimano-Naben in den meisten Fällen das beste Preis-Leistungsverhältnis. Falls Du die besten Naben haben willst und Geld keine Rolle spielt, nimmst Du einfach die von Phil Wood.

Speichen

Das Material der Wahl für Speichen ist rostfreier Stahl. Rostfreier Stahl ist haltbar und rostet nicht. Billige Laufräder sind mit verchromten (UCP) oder verzinkten (galvanisierten) Karbon-Stahl Speichen ausgestattet, die aber leider nicht so haltbar sind und auch zum Rosten neigen.

Die Marktführer auf dem US-amerikanischen Markt sind DT swiss und Wheelsmith.

Titan wird ebenfalls für Speichen eingesetzt, was allerdings nach Sheldon Browns Meinung herausgeworfenes Geld ist. Titanspeichen sollten nur mit Messingnippeln benutzt werden, die in dieser Kombination aber nicht signifikant leichter sind als Stahlspeichen mit Aluminiumnippeln.

Karbonspeichen sind ebenfalls am Markt erhältlich. Diese haben sich als bruchanfällig und gefährlich herausgestellt. Zudem sind sie sehr teuer.

Wie viele Speichen?

Bis in die frühen 1980er Jahre hatte so gut wie jedes Erwachsenenfahrrad 72 Speichen. 32 Vorne und 40 hinten war der Standard für britische Fahrräder, 36 vorne und hinten für alle anderen Länder. Die Ausnahmen waren supermodische Laufräder für spezielle Einsatzzwecke, die unter Umständen 32 Speichen vorne und hinten hatten.

Der Große Speichenschwindel: In den frühen 1980er Jahren hatte ein schlauer Marketingexperte die Idee, nur 32 Speichen für Vorführfahrräder zu nutzen. Wegen der Assoziation von 32 Speichen zu exotischen Hochleistungsrädern konnten die Hersteller Material und Geld sparen, indem sie das Ganze als einen "Fortschritt" verkauften. Die erzeugten Laufräder waren aber merklich weniger haltbar als vergleichbare 36-Sepichen-Laufräder; sie waren aber für die meisten Kunden immer noch gut genug.

Dieses Vorgehen wurde bis zum Extrem mit 28, 24 oder gar 16 Speichen ausgereizt und jedes mal als "Fortschritt" präsentiert.

Tatsächlich sind solche Räder in der Praxis kein Fortschritt. Wenn die Speichen an der Felge weiter aueinander stehen, muss die Felge verstärkt sein, um diesen Umstand zu kompensieren. Daher geben diese neuartigeren Laufräder keinen Gewichtsvorteil.

Dazu kommt, dass diese Art Laufräder benötigen eine höhere Speichenspannung, da die Kräfte von weniger Speichen getragen werden. Falls eine Speiche bricht, wird das Laufrad sofort unfahrbar.

Falls Du die beste Leistung benötigst, ist es ratsam, am Hinterrad mehr Speichen zu verbauen als am Vorderrad. Zum Beispiel ist die Kombination 28/36 besser als 32/32. Die meisten Leute haben weniger Probleme mit Vorderrädern:

  • Vorderräder werden symmetrisch eingespeicht
  • Vorderräder tragen weniger Gewicht
  • Vorderräder tragen keine Torsionskräfte (außer bei Trommelbremsen)

Falls Du am Vorder- und Hinterrad die gleiche Zahl an Speichen fährst, ist entweder das Vorderrad schwerer als nötig oder das Hinterrad schwächer als ratsam ist.

Speichenmaße

Der Durchmesser von Speichen wird manchmal in Drahtmaßen ausgedrückt. Es gibt mehrere verschiedene nationale Systeme für ihre Messgrößen und das führt zu Verwirrung. Speziell ist problematisch, dass französische Maße kleiner werden für dünnere Drähte und US/britische Maße größer werden für kleinere Drahtmaße. Der Schnittpunkt dieser verwirrenden Maße liegt zudem noch genau in den verbreiteten Größen, die im Fahrradbereich zum Einsatz kommen:

  • US/britisch 14er Maß ist das gleiche wie französisches 13er Maß
  • US/britisch 13er Maß ist das gleiche wie französisches 15er Maß

Die neuere ISO-Standardisierung hält sich nicht an alte Maße und bezieht sich einfach auf den Durchmesser des Drahts in mm:

  • US/britisch 13er Maß entspricht 2,3 mm
  • US/britisch 14er Maß entspricht 2,0 mm
  • US/britisch 15er Maß entspricht 1,8 mm
  • US/britisch 16er Maß entspricht 1,6 mm

Speichen haben entweder einen gleichmäßigen oder variablen (konifizierten) Durchmesser. Gleichmäßige Speichen haben überall die gleiche Dicke.

Speichen mit variablem Durchmesser gibt es in fünf Varianten:

  • Einfach-konifizierte Speichen sind am Nabenende dicker als normal, werden dann dünner und bleiben gleichmäßig bis zum Felgenende hin. Einfach konifizierte Speichen sind nicht gebräuchlich, werden jedoch gerne bei Schwerlastaufgaben eingesetzt, wenn eine dickere Speiche in ein kleineres Felgenloch eingesetzt werden muss.
  • Doppelt-konifizierte Speichen sind an den Enden dicker als in der Mitte. Die gebräuchlichsten Durchmesser sind 2,0/1,8/2,0mm (auch 14/15er Maß) und 1,8/1,6/1,8 (auch 15/16er Maß). Doppelt konifizierte Speichen sparen nicht nur Gewicht. Die dickeren Enden machen sie haltbarer in den höher belasteten Bereichen als gerade Speichen gleicher Dicke. Das dünnere Mittelstück macht die Speichen flexibler. Sie können temporär mehr gestreckt werden als dickere Speichen. Im Endeffekt bedeutet das, dass sich Speichen bei kurzer scharfer Belastung des Laufrads so weit dehnen können, dass sie einen Teil der Energie auf benachbarte Speichen übertragen können. Dies ist besonders dann ein gewünschter Effekt, wenn der limitierende Faktor die Kraft ist, die eine Felge rund um die Speichenlöcher aushält, ohne zu reißen.
  • Dreifach-konifizierte Speichen wie die DT Alpine III sind die beste Wahl, wenn es um Haltbarkeit und Zuverlässigkeit wie zum Beispiel bei Tandems und Lastenfahrräder geht. Sie vereinen die Vorteile von einfach- und doppelt-konifizierten Speichen. Die DT Alpine III misst am Kopf 2,34mm (13er Maß), 1,8mm in der Mitte und 2,0mm (14er Maß) am Gewinde-/Felgenende. Einfach- und dreifachkonifizierte Speichen lösen eines der große Probleme das Laufraddesigns. Speichen haben gewalzte und nicht geschnittene Gewinde. Daher ist der Außendurchmesser des Gewindes größer als der Durchmesser der Speiche selbst. Das Loch im Felgenflansch muss groß genug sein, dass das Gewinde durchpasst, jedoch ist das Loch größer als der Drahtdurchmesser der Speiche. Dies ist unerwünscht, da eine genaue Einpassungen zwischen Speichendurchmesser am Speichenkopf im Loch des Nabenflanschs entscheidend ist, um Ermüdungsbrüche zu vermeiden. Da einfach- und dreifach-konifizierte Speichen am Kopfende dicker sind als am Gewindeende, können sie mit Naben genutzt werden, deren Löcher gerade groß genug sind, um das dicke Ende des Kopfendes des Speichendrahts aufzunehmen.
  • Æro-(elliptische-) Speichen sind eine Variante der doppeltkonifizierten Speichen, bei denen das dünnere Mittelstück elliptisch abgeflacht ist. Dies macht sie ein klein wenig aerodynamischer als runde Speichen. Die am weitesten verbreitete dieser Speichen ist die Wheelsmith Æro. Diese sind 1,8mm (15er Maß) an den Enden, das Mittelstück ist äquivalent zu einem 16er Maß, jedoch in der Vorm einer Ellipse von 2,0x1,6mm. Die Wheelsmith Æro war die bevorzugte Speiche für Sheldon Brown bei Hochleistungsanwendungen, im wesentlichen nicht wegen ihrer aerodynamischen Vorteile, sondern weil das flache Mittelstück beim Laufradbau einen hervorragenden Indikator abgibt, um dabei zu helfen, sichtbare Verdrehungen der Speiche zu entfernen. Dies unterstützt den Laufradbauer dabei, Laufräder zu bauen, die richtig eingestellt bleiben.
  • Æro-(messerförmige-) Speichen haben eine betontere aerodynamische - eher flache als elliptische - Form. Zwar sind sie die aerodynamischsten Speichen, passen jedoch nicht durch Standardnabenflaschlöcher, weil sie zu breit sind. Um Messerspeichen nutzen zu können, müssen die Naben mit einer Feile eingeritzt werden. Dies schwächt den Flansch und man verliert zudem die Gewährleistungsansprüche für die Nabe. Zudem hat man eine Menge Ärger damit. In den frühen 1990er Jahren gab es eine Modetorheit für Hoshi-Messerspeichen, welche einen doppelt gebogenen, statt eines einfachen Kopfes hatten. So konnten die Speichen mit dem Kopf voran in normale Nabenflansche eingeführt werden. Unglücklicherweise waren sie sehr bruchanfällig - Sheldon Brown rät von ihrer Verwendung ab.

Das Glossar von Sheldon Brown enthält eine Tabelle mit Speichengewichten.

Speichennippel

Speichennippel sind oft aus vernickeltem Messing hergestellt. Dies ist eine gute Materialwahl, da in Messing sehr genaue Gewinde geschnitten werden können und Messingnippel nicht so leichzt festkorrodieren.

Für Leichtgewicht- und Hochleistungslaufräder gibt es auch Aluminiumnippel. Aluminiumnippel sparen ein klein wenig Gewicht und sind sehr zuverlässig, wenn man sie richtig benutzt. Aluminiumnippel dürfen nur mit Felgen verwendet werden, die um die Löcher herum ein anders Materail haben als Aluminium selbst. Aluminium auf Aluminium kann zu einer chemischen Reaktion führen, die die Nippel unbeweglich macht.

Felgen

Ältere Felgen waren aus Stahl hergestellt. Stahlfelgen sind heutzutage überflüssig und werden nur noch in den billigsten Schrottfahrrädern verbaut. Aluminiumfelgen haben Stahlfelgen verdrängt, da sie leichter, haltbarer und rostfrei sind. Zudem erlauben sie eine besser Bremsleistung. Moderne Felgen sind aus strangepresstem Aluminium hergestellt. Das halbgeschmnolzene Aluminium wird durch speziell geformte Öffnungen gedrückt, die die Querschnittsform der Felge bestimmen. Die ausgepressten Stränge werden zu Ringen geformt und entweder durch Schweißen oder durch ein Verbindungsstück in Reifenform gebracht. Bei vielen hochqualitativen Felgen haben Ösen, die die Speichenlöcher verstärken.

Speichenlängenrechner

Speichenlängen werden vom Inneren des Knicks zum Speichenkopf bis zum äußersten Ende des Gewindes in mm gemessen.

Wenn Du Speichen erwerben willst, die zur Felge, zur Nabe und zum Speichenmuster, sollte Dein Fachhändler die korrekte Speichenlänge(n) für Dich berechnen können. Die meisten Händler machen das heutzutage mit einem Computerprogramm namens Spokemaster, welches mit einer Datenbank namens Bike-alog-on disc geliefert wird. Falls Du selbst die Speichenlängen berechnen möchtest, gibt es im WWW eine Menge Speichenlängenprogramme, folgende wären zu nennen:

Sutherlands Handbook for Bicycle Mechanics hat grafische Darstellungen und Tabellen, mittels derer Du die Speichenlängen ermitteln kannst

Alternativ kannst Du natürlich auch ein bestehendes Laufrad mit gleichem Muster nehmen und einen guten Anhaltspunkt bekommen. Die länge ist nicht endgültig entscheidend. Die meisten Speichenlängenrechner geben Längen bis auf einen zehntel mm an. Speichen werden jedoch in 1mm Längenschritten (manche Marken sogar nur in 2mm Schritten) verkauft. Generell hat Sheldon Brown immer auf die nächste verfügbare Länge aufgerundet.

Datei:Laufradbau 36 36.gif
Alle folgenden Bilder zeigen das Laufrad von der rechten (Freilauf-) Seite

Vorbereitung

Speichengewinde und Speichenlöcher der Felge sollten mit einem leichten Fett oder Öl eingefettet werden, damit sich die Speichennippel leicht genug drehen lassen, um die Speichen fest genug anziehen zu können. Dies ist weniger wicht geworden durch den Einsatz modernerer Speichen, Nippel und Felgen. Es ist und bleibt jedoch praktisch. Im Falle von Rädern mit Kettenschaltungen müssen nur die rechts liegenden Löcher geschmiert werden. Die links liegenden Speichen werden lose genug bleiben, dass sie die ganze Zeit über leicht zu drehen sein werden. Falls Du sie dennoch schmierst könnten sie sich evtl. von selbst lösen.

Quellen