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Bei Fahrrädern mit zwei Handbremsen ist es wichtig zu lernen, wie man diese richtig benutzt, um so sicher wie möglich anzuhalten.

Althergebrachte Weisheit

Eine althergebrachte Weisheit besagt, dass man beiden Bremsen zur gleichen Zeit benutzen sollte. Das ist vielleicht ein guter Rat für einen Anfänger, der es bisher nicht geschafft hat, die Bremsen geschickt zu nutzen. Wenn Du jedoch das Anfängerstadium verlassen hast, wirst Du es so nie schaffen, sicher so schnell anzuhalten wie ein Fahrer, der mit der Vorderradbremse alleine bremsen kann.

Einige Leute halten diese Aussage für Unsinn.

Maximale Verzögerung - Panikbremsung

Der schnellste Weg, ein Rad mit normalem Radstand anzuhalten, ist es, die Vorderradbremse so kräftig zu ziehen, dass das Hinterrad gerade so nicht abhebt. In dieser Situation kann die Hinterradbremse nichts zur Verzögerung beitragen, da das Hinterrad keine Traktion hat.

Stürze ich nicht über den Lenker?

Die Hinterradbremse ist in Ordnung für Situationen, in denen man wenig Traktion hat oder das Vorderrad einen Platten hat. Jedoch hat auf trockener Straße die Vorderradbremse genügend Verzögerungsgewalt, um das Fahrrad zum stehen zu bekommen. Das funktioniert sowohl in Theorie als auch in der Praxis.

Wenn Du Dir die Zeit nimmst, die Vorderradbremse richtig zu benutzen, wirst Du ein sicherer Fahrradfahrer werden.

Viele Fahrradfahrer schrecken davor zurück, die Vorderradbremse zu benutzen, da sie fürchten, über den Lenker zu fliegen. Das passiert aber nur denjenigen, die nicht gelernt haben, die Vorderradbremse richtig zu dosieren.

Der Fahrradfahrer, der ausschließlich auf die Hinterradbremse vertraut, um das Fahrrad anzuhalten, wird solange gut damit zurecht kommen, bis ein Notfall eintritt. Er oder sie greift dann auch zur ungewohnten Vorderradbremse, um zusätzliche Bremskraft zu erhalten. Meistens wird zu viel Bremskraft ausgeübt und die Folge ist der klassische und gefürchtete Über-Den-Lenker-Unfall.

Jobst Brandt hat eine recht plausible Erklärung, wie diese Art Unfall verursacht wird. Es ist weniger das zu starke Bremsen sondern eher die Tatsache, dass der Fahrer sich nicht mit den Armen gegen die Verzögerung abstützt. Dadurch bewegt sich der Fahrer dann weiter nach vorne in Richtung Lenker und wenn er gegen diesen stößt, überschlägt sich das Fahrrad, da das Fahrergewicht sich nicht mehr über dem Fahrrad befindet. Eventuell liegt Jobst Brandt aber falsch, und gestreckt gehaltene Arme führen in der Praxis nur zu einer etwas anderen Flugbahn, aber verhindern nicht den Sturz, wenn man sich verbremst hat.

Das kann nicht passieren, wenn man die Hinterradbremse alleine benutzt. Sobald sich das Hinterrad anhebt, ist keine Bremswirkung mehr da. Jedoch benötigt man mit der Hinterradbremse alleine einen rund zweimal so langen Bremsweg wie mit der Vorderradbremse alleine. Daher ist das Verlassen auf die Hinterradbremse für einen schnell fahrenden Fahrradfahrer sehr unsicher. Es ist wichtig, dass man die Arme dazu benutzt sich gegen die Verzögerung abzustützen, wenn man stark abbremst. Tatsächlich unterstützt man diese Technik noch dadurch, dass man sich im Sattel so weit wie es geht nach hinten bewegt, um den Schwerpunkt des Fahrers und Fahrrads so weit wie möglich hinten zu halten. Das ist wichtig, wenn man nur eine oder beide Bremsen gleichzeitig benutzt. Jedoch kann der Einsatz beider Bremsen zum Ausbrechen des Hinterrads führen. Wenn das Hinterrad ins Rutschen gerät während man auch vorne bremst, tendiert das Hinterrad dazu, das Vorderrad zu überholen. Das entsteht dadurch, dass das Vorderrad mehr zur Verzögerung des Fahrrads beiträgt als das Hinterrad. Sobald das Hinterrad zu rutschen beginnt, kann es sich sowohl vorwärts wie seitwärts gleichermaßen bewegen.

Falls Du das nicht glaubst, kannst Du Dich evtl. von John Forrester überzeugen lassen. Leider werden die Links dieser Seite in unregelmäßigen Abständen komplett verändert. Falls Du also dem obigen Link nicht folgen kannst, musst Du hier starten.

Den Einsatz der Vorderradbremse lernen

Die maximale Bremswirkung wird erreicht, wenn man die Vorderradbremse so kräftig zieht, dass das Hinterrad kurz vor dem Abheben ist. Zu diesem Zeitpunkt würde das leiseste Benutzen der Hinterradbremse zum Rutschen des Hinterrads führen.

Mit einem konventionellen Fahrrad übt man am besten auf einem leeren Supermarktparkplatz oder einem anderen ähnlich sicheren Ort. Dazu fährt man und zieht dann an beiden Bremshebeln und bemüht die Vorderradbremse stärker. Währenddessen sollte man weiter pedalieren, um eine direkte Rückmeldung vom Antrieb zu bekommen, wann das Hinterrad beginnt, zu rutschen. Übe immer stärkere Bremsmanöver bis dieses Rutschen auch passiert. So tastest Du Dich an die maximale Verzögerung heran, die gerade so ohne Rutschen oder Abheben des Hinterrads noch möglich ist.

Manche Fahrer fahren gerne ein Fixed Gear Fahrrad. Hier kann man beim Einsatz der Vorderradbremse durch den starren Antrieb mehr Rückmeldung über die Traktion bekommen. Deswegen sind Fixed Gear Fahrräder besonders bei winterlichen Straßenverhältnissen beliebt.

Wenn Du beim Fixed Gear Fahrrad die Vorderradbremse einsetzt, geben Dir Deine Beine eine exakte Rückmeldung, wann Du an der maximalen Bremskapazität der Vorderradbremse angekommen bist. Wenn Dein Fixed Gear Fahrrad Dir das beigebracht hast, kannst Du auch auf konventionellen Fahrrädern nur mit der Vorderradbremse besser bremsen. Das ist natürlich eine extrem teure "Lernmethode" und hat kaum Praxiswert. Nebenbei, man kann auch mit Fixies sich verbremsen und Stürzen, wie mit Nicht-Fixies.

Der Einsatz der Hinterradbremse

Geübte Fahrradfahrer benutzen zu 95% die Vorderradbremse. Es gibt jedoch Bedingungen, bei denen die Hinterradbremse zu bevorzugen ist.

  • Rutschiger Untergrund: Auf gutem und trockenem Asphalt wird man das Vorderrad nicht zum rutschen bringen, wenn man bremst, in Kurven aber doch sehr leicht (Unfall). Auf rutschigem Untergrund jedoch ist es leicht möglich, das zu erreichen. Es ist so gut wie unmöglich, ein rutschendes Vorderrad wieder zu stabilisieren. Hinterrad ist leichter machbar. Daher ist es höchst gefährlich, wenn das Vorderrad zu Rutschen beginnt. Daher ist es hier entscheidend sicherer, die Hinterradbremse zu benutzen.
  • Unebener Untergrund: Auf unebenen Untergrunbedingungen können Deine Reifen abheben. Falls es eine kleine Chance gibt, dass das passieren kann, benutze niemals die Vorderradbremse. Falls Du die Bremse betätigst, während das Vorderrad in der Luft ist, landest Du mit blockiertem Laufrad. Das ist sehr schlecht.
  • Plattes Vorderrad: Wenn Du einen plötzlichen Druckverlust oder einen Platten am Vorderrad hast, solltest Du die Hinterradbremse benutzen, um sicher zum Stehen zu kommen. Wenn man ein Rad abbremst, das die Luft verloren hat, kann sich der Reifen von der Felge ziehen und zu einem Unfall führen.
  • Gerissener Bremszug oder ein anderer Aussetzer der Vorderradbremse
  • Lange Bergabfahrten: Zum einen kann die bremsende Hand ermüden oder zum anderen die Felge so heiß werden, dass der Reifen platzt. Das trifft natürlich nur bei Felgenbremsen zu. Auf jeden Fall ist es am besten, zwischen den beiden Bremsen regelmäßig hin- und herzuwechseln und nicht beide gleichzeitig einzusetzen.

Beide Bremsen gleichzeitig benutzen

Im Generellen spricht sich Sheldon Brown gegen die Benutzung beider Bremsen gleichzeitig aus. Es gibt aber "Ausnahmen" die fast der Regelfall sind:

  • Falls die Vorderradbremse nicht genügend Bremskraft hat, um das Hinterrad zum Abheben zu bringen. Hier hilft die Hinterradbremse, es ist aber wesentlich besser, die Vorderradbremse baldmöglichst Instand zu setzen.
    Tyischerweise verlieren Felgenbremsen einen Großteil ihrer Bremskraft bei nassen Bedingungen. Die Nutzung beider Bremsen kann den Bremsweg verkürzen.
  • Bei langen oder sehr niedrigen Fahrrädern besteht die Möglichkeit, dass das Vorderrad zu rutschen (und ggf. Stürzen) beginnt, weil das Hinterrad nicht abheben kann. Dadurch ist ihre Bremskraft am Vorderrad begrenzt. Diese Räder sind am schnellsten anzuhalten, indem man beide Bremsen betätigt.
    Achtung Tandem: Wenn man ein Tandem alleine fährt (also ohne Stoker), wird die Hinterradbremse mangels Traktion wirkungslos. Die Gefahr, dass das Hinterrad ausbricht ist daher sehr hoch, wenn man beide Bremsen benutzt. Das gleiche gilt in geringerer Ausprägung, wenn der Stoker ein kleines Kind ist.

Welche Bremse auf welche Seite?

Es gibt sehr unterschiedliche Ansichten darüber, welche Bremse mit welchem Bremshebel verbunden sein soll:

  • Manche Fahrradfahrer sagen, dass es (für Rechtshänder) sinnvoller ist, dass die stärkere Hand die Hinterradbremse bedient.
  • Motorradfahrer haben immer die Vorderradbremse an der rechten Hand. Daher bevorzugen Fahrradfahrer, die auch Motorrad fahren, diesen Aufbau.

Es gibt zudem noch nationale Unterschiede:

  • In Ländern mit Rechtsverkehr wird die Vorderradbremse links montiert.
  • In Ländern mit Linksverkehr wird die Vorderradbremse rechts montiert.

Die Theorie, die am glaubwürdigsten für diese nationalen Gegebenheiten erscheint, ist, dass man sich darum sorgt, dass ein Fahrradfahrer noch Handzeichen geben und gleichzeitig mit der primären Bremse bremsen können muss. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Primärbremse die Hinterradbremse ist.

Aus diesem Grund hatte Sheldon Brown seine Fahrräder so aufgebaut, dass die Vorderradbremse mit der rechten Hand bedient wird. Damit entsprechen seine Fahrräder nicht der Norm (außer für Länder mit Linksverkehr). Das macht er im wesentlichen, da er Rechtshänder war und sich wünschte, dass seine geschicktere Hand die (seiner Meinung nach) kritischere Bremse bedient.

Seitwärtsneigung beim Kurvenfahren

Beim Kurvenfahren muss Du Dich seitwärts zum Kurveninneren hin neigen. Je schneller Du Dich bewegst und je enger die Kurven werden, desto mehr Neigung ist notwendig. Dabei hast Du keine Wahl - das ist angewandte Physik. Für eine bestimmte Geschwindigkeit und einen bestimmten Kurvenradius, muss der Schwerpunkt des Fahrers/Fahrrads ein bestimmtest Stück seitwärts zum Kurveninneren hin bewegt werden, damit das Fahrrad nicht aus der Balance gerät.

Was man üben sollte, ist es, den Körper mehr, weniger oder genauso weit zu neigen wie das Fahrrad, um den Schwerpunkt an die richtige Stelle zu bewegen.

  • Das Fahrrad weit neigen und dabei den Körper weiter aufrecht halten
    Dieser Ansatz ist bei Anfängern sehr beliebt, die sich nicht trauen, sich weit seitwärts zu lehnen und die die Orientierung behalten, wenn sie aufrechter sitzen bleiben. Diese Technik wird auch gerne von Rennfahrern und Trainern empfohlen, um einen rutschenden Reifen einzufangen. Sheldon Brown glaubt nicht daran, dass das funktioniert.
  • Den Oberkörper weit seitwärts neigen und das Fahrrad halbwegs gerade halten, als ob man geradeaus fährt
    Dieser Ansatz wird von Fahrern verfolgt, die Angst haben, mit einem Pedal den Boden zu berühren. Meist ereilt die Angst Fahrer von Fixed Gear Fahrrädern, da sich hier die ganze Zeit die Pedale mitbewegen.
    Diese Technik wird auch gerne von Rennfahrern und Trainern empfohlen, um einen rutschenden Reifen einzufangen. Sheldon Brown glaubt nicht daran, dass das funktioniert.
  • Den Oberkörper und das Fahrrad gemeinsam neigen und in einer Linie halten
    Diese Technik hat den Vorteil, dass man die Steuerachse, die Reifenkontaktflächen und den Schwerpunkt auf einer Ebene hält. Das erhält die Fahreigenschaften das Fahrrads und macht das Rutschen der Reifen unwahrscheinlich.
    Du kannst das selbst durch ein Experiment, das von Jobst Brandt vorgeschlagen wurde, herausfinden:
    Manche Fahrer glauben, dass das Herausstrecken des Knies oder das Seitwärtslehnen vom Fahrrad weg, die Kurvenfahrt erleichtert. Das Knie herausstrecken hat den gleichen Effekt, den man erreicht, wenn man ein Bein in Richtung Boden auf Motocross-Art ausstreckt. Das ist eine nutzlose Sicherheitsgeste, die auf unebenem Untergrund gegen Dich arbeitet. Jedes Stück Körpergewicht, dass nicht zentriert auf dem Fahrrad hängt, sorgt für seitliche Kräfte auf das Fahrrad. Diese seitlichen Kräfte sorgen für eine Steuerbewegung, wenn die Straße nicht glatt ist. Zudem ist es schwieriger, aus dem Sattel zu gehen, wenn man solche Manöver durchführt.

    Versuche es selbst, indem Du eine gerade aber unebene Straße herunter fährst und Dich dabei auf ein Pedal stellst und das Fahrrad seitwärts neigst. Das Fahrrad folgt einer unberechenbaren Linie. Wenn Du im Gegensatz dazu völlig gerade auf dem Fahrrad sitzt, kannst wahrscheinlich sogar freihändig perfekt geradeaus fahren. Wenn Du Dich seitwärts neigst, kannst Du besonders in Kurven keine gerade Linie über Straßenunebenheiten fahren. Um die Kontrolle zu behalten, solltest Du immer mittig zentriert auf dem Fahrrad bleiben.

Siehe auch

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Quelle

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Braking and Turning von der Website Sheldon Browns. Originalautor des Artikels ist Sheldon Brown.