Fahrradreifen und -schläuche
Sheldon Brown hat über viele Artikel immer wieder Tipps & Tricks zu Reifen und Schläuchen verstreut. An dieser Stelle wird alles zusammengefasst, was man über die Aspekte von Reifen und Schläuchen wissen sollte.
Aufbau des Reifens
Wulstreifen
Konventionelle Reifen, die bei 99% aller Fahrräder verbaut sind, sind Wulstreifen (manchmal auch Drahtreifen genannt). Diese bestehen aus dem eigentlichen im Querschnitt U-förmigen Reifen und einem separaten Schlauch. Die Ränder des Reifens werden in die Kanten der Felge geklemmt und der Luftdruck des Schlauchs drückt alles so fest, dass sich nichts mehr bewegen kann.
Inzwischen sind schlauchlose Reifen vor allem im MTB-bereich verbreitet. Diese setzen spezielle Felgen voraus, die über ein abgedichtetes Ventil und verschlossene Speichenlöcher verfügen, so dass keine Luft entweichen kann.
Viele Leute glauben, dass Reifen aus Gummi gemacht werden, weil es offensichtlich nach Außen so aussieht. Das ist aber sehr vereinfacht. Gummi ist die unwichtigste der drei Komponentem eines Reifens.
Wulst
Der Wulst ist eine der zwei Kanten eines Reifens. Bei den meisten Reifen bestehen diese Kanten aus widerstandsfähigen Stahldrähten. Die Wulste halten den Reifen auf der Felge und sind auf bestimmte Weise das Rückgrat des Reifens. Anstatt Draht findet man heutzutage immer häufiger Kevlar ™-Stränge.
Gewebe
Zwischen den beiden Wulsten ist eine Gewebstruktur eingewoben, die die Karkasse des Reifens bildet. Dies ist das Herz des Reifens, der die Form bestimmt. Die meisten Reifen sind aus Nylonschnur, wenige Reifen aus Polyamiden aufgebaut. Bis in die 1960er Jahre war Baumwolle/Zellstoff verbreitet. Diese ware nicht widerstandsfähig und verrotteten schnell. Manche Schlauchreifen werden weiterhin aus Baumwolle und Seide gefertigt.
Die Gewebeschichten sind nicht untereinander verwoben wie bei Kleidung, sondern verlaufen in Schichten parallel übereinander. Jede Schicht ist orthogonal zur nächsten Schicht gelegt.
Manche Reifen sind aus dicken Fäden, manche aus dünneren hergestellt. Bei dünneren Fäden erhöht sich die Thread-Per-Inch (Fäden pro Zoll) Zahl. Häufig wird diese Zahl als Indikator für die Leistungsfähigkeitd es Reifens hergenommen.
Je höher die TPI-Zahl, desto dünner und flexibler ist die Karkasse. Dünnwandige Reifen sind leichter und bringen einen höheren Rollwiderstand mit. Sie sind leichter zu beschädigen.
Bei Fahrradreifen verlaufen die Fäden des Gewebes diagonal von Wulst zu Wulst. Bei moderne Autoreifen verlaufen diese Fäden auf direktem Wege von Wulst zu Wulst - das nennt man "radial". Bei Radialreifen verlaufen Gürtel als Schichten einmal komplett rund um den Reifen und kreuzen die radialen Schichten.
Man hat versucht Radialreifen für Fahrräder herzustellen. Sie stellten sich jedoch als zu flexibel an den Seitenwänden heraus. Diese Flexibilität führt zu einem unsichern Fahrgefühl - ähnlich einem Reifen mit viel zu wenig Luftdruck.
Bei manchen Reifen verläuft noch ein zusätzlicher Kevlar Gürtel zusätzlich zu den diagonalen Schichten unter der Lauffläche. Dies soll die Pannensicherheit des Reifens erhöhen.
Gummi
Sobald das Gewebe zwischen den Wulsten des Reifens fertig ist, hat der Reifen seine grundsätzliche Form erhalten. Jetzt kann er mit einer Gummimischung überzigen werden. Dies geschieht im Wesentlichen dazu, um das Gewebe zu schützen. Die Gummischichten haben sonst keine strukturelle Funktion.
Die Gummifläche, die in Kontakt mit dem Boden kommt, wird Lauffläche genannt. Dieser Bereich ist aus Gründen der Haltbarkeit für gewöhnlich dicker als die Seitenwände. Manche Reifen habe eine Art 3D-Muster in die Lauffläche modelliert, die die Traktion erhöhen kann.
Die Hersteller mischen verschiedene Additive in ihre Gummimischungen, um bestimmte Traktions- und Verschleißeigenschaften zu erreichen. Eine weichere Mischung hat eine bessere Traktion und dafür höheren Verschleiß. Gummi hat normalerweise eine bräunliche Farbe, jedoch sind viele Reifen inzwischen schwarz, weil ihnen Ruß zugesetzt wird. Ruß erhöht die Haltbarkeit und Traktion des Reifens in der Lauffläche deutlich.
Manche Hersteller ersetzen Ruß durch eine Siliziummischung. Diese Reifen haben meistens eine graue Lauffläche. Ob jetzt Ruß oder Silizium bessere Traktion beisteuern, wird vielen Diskussionsrunden heiß diskutiert. Laufflächen in grau werden für Hallensport oder sonstige überdachte Tätigkeiten bevorzugt, da sie keine schwarzen Streifen auf dem Boden hinterlassen.
Dual Compound-Reifen haben zur Verschleißoptimierung in der Mitte der Lauffläche recht hartes Gummi, welches zur Seite hin immer weicher wird, um die Traktion zu erhöhen. Dadurch will man bessere Kurvenstabilität erreichen, ohne die Lebensdauer der Lauffläche merklich zu verringern.
Manche Reifen sind sogenannte Gumwalls oder Skinwalls. Bei Gumwall-Reifen sind die Seitenwände bräunlich, da hier kein Ruß zugesetzt wurde. Das macht die Reifen etwas flexibler und reduziert den Rollwiderstand. Sheldon Brown gibt an, dass nicht ganz klar ist, inwieweit das einen Unterschied ergibt.
Skinwall-Reifen haben entweder keine oder eine extrem dünne Gummibeschichtung an den Seitenwänden. Auch hier wird die Seitenwand sehr flexibel und der Rollwiderstand soll geringer werden.
Schlauchreifen
Schlauchreifen unterscheiden sich vom konventionellen Wulstreifen dadurch, dass sie keine Wulste haben. Stattdessen sind die Kanten um den Schlauch herum zusammengenäht. Für Schlauchreifen benötigt man spezielle Felgen, auf die die Schlauchreifen mit Felgenkleber befestigt werden.
Früher waren Schlauchreifen auf hochwertigen Rädern sehr verbreitet. Heutzutage gehören sie jedoch zu einer aussterbenden Art, wenn es derzeit auch ein kleines Revival dieser Reifen gibt.
Vorteile von Schlauchreifen | Nachteile von Schlauchreifen |
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Schläuche
Ein Schlauch sieht grundsätzlich wie ein doughnut-förmiger Ballon aus. Er hat ein Ventil zum Aufpumpen. Die einzige wichtige Eigenschaft eines Schlauchs ist es, die Luft zu halten. Er besteht aus Gummi und hat keine starren Strukturen. Wenn man einen Schlauch außerhalb des Reifens aufpumpt, kann er auf die zwei- bis dreifache seiner nominellen Größe anschwellen bevor er platzt. Ohne den Reifen außen herum kann der Schlauch keinem signifikanten Druck widerstehen.
Butyl vs. Latex
Vor dem zweiten Weltkrieg waren Reifen und Schläuche aus Naturlatex hergestellt, das aus tropischen Bäumen gewonnen wurde. Während des Krieges war der Nachschub dieses Rohstoffs nicht mehr gesichert, daher wurde Butyl erfunden. Butyl stellte sich ale sehr erfolgreicher Ersatzstoff heraus, da es für den Einsatzzweck besser war als das bisher verwendete Latex. Inzwischen sind so gut wie alle Reifen aus Butly statt Latex.
Manche Fahrer bevorzugen Latex als Material für ihre Schläuche, da sie etwas leichter als Butylschläcuhe sind. Manche Fahrer glauben, dass der Rollwiderstand bei Latex geringer sei.
Latex ist etwas poröser als Butly. Daher müssen diese Schläuche etwas häufiger auf korrekten Luftdruck kontrolliert und nachgefüllt werden.
Wie ein Reifen die Last verteilt
Weitverbreitet ist der Irrglaube, dass der Reifendruck die Felge hält. Wenn Du genau nachdenkst, merkst Du, dass das nicht sein kann, da der Luftdruck rund um die Felge herum immer gleich bleibt. Wie verteilt dann ein Reifen seine Last?
Die Hauptaufgabe des Luftdrucks im Reifen ist es, den Reifen in Form zu halten, außer an einer Stelle - nämlich dort, wo er den Boden berührt.
An der Kontaktstelle werden Lauffläche und Geweb des Reifens gegen den Untegrund flach gedrückt. Der Luftdruck kann nur direkt nach außen wirken. Darum drückt er an dieser Stelle genau nach unten und sorgt so für eine Balance zwischen Gewicht und Verformung. Der Luftdruck an der Kontaktstelle bringt keinen Beitrag zur Spannung im Gewebe. Die Fläche der Kontaktstelle ist äquivalent zum Gewicht, das von oben drückt, dividiert durch den Luftdruck. Zum Beispiel ist die Fläche bei einem Lutdruck von 50 PSI (ungefähr 3,5 bar) und einem Gewicht von 100 Pfund (ca. 50 kg) ungefähr 5 Quadratcentimeter.
Die Fäden des Reifengewebes können Kräfte nur längs und unter Spannung weiterführen. Der Luftdruck formt diese in eine zirkuläre Kreuz- und Quersektion außer an der Stelle, wo die Kontaktfläche des Reifens mit dem Boden besteht. Hier wird diese Formation flachgedrückt und an den Seiten werden sie zu einem Bogen mit sehr engem Radius verformt.
An diesen Stellen mit engem Bogen werden die Kräfte zu den Seitenwänden des Reifens geführt, da sie weniger stark nach unten ziehen. So werden die Kräfte gleichmäßig auf die Felge abgeleitet.
Dieser Effekt läßt sich von oben schön in Form einer Ausbeulung beobachten, wenn man auf dem Rad sitzt. Die Kontaktstelle wird flach gedrückt und drumehrum wird der Radius der Seitenwände etwas verkleinert. Der Reifen wird effektiv dünner. Die Spannung der Gewebfäden ist an dieser Stelle leicht geringer, obwohl sie die Last "tragen".
Bei Reifen mit Diagonalschichten wird die Last längs in beide Richtungen des Reifens verteilt. Daher ist die Beule bei Bodenkontakt länger und weniger tief als bei Radialreifen. In den frühen Tagen der Radialreifen bei Autos dachten viele Leute, dass sie Plattfüße am Auto hätten, weil die Beule beim Radialreifen deutlich ausgeprägter ist.
Ein Reifen verteilt die Last also, indem der Druck abwärst reduziert wird. Das ähnelt dem Prinzip eines eingespeichetn Laufrads. Ein eingespeichtes laufrad und der pneumatische Reifen sind zwei Beispiele für vorgespannte bewegliche Strukturen, deren brilliante und nicht direkt intuitive Aspekte perfekt zusammenarbeiten und mehr als das 100-fache des eigenen Gewichts tragen können.
Diagonale Schichten helfen außerdem laterale und Drehmomentlasten zu verteilen, indem sie die Verbindung zwischen der Kontaktfläche und der Felge triangulieren, so wie die Speichen eines semitangential eingespeichten Laufrads laterale und Drehmomentkräfte verteilen. Bei Schlauchreifen funktionieren die diagonalen Schichten wie eine chniesisches Fingerpuzzle. Der Reifendruck macht den Reifen dicker und damit kürzer, was ihn stärker gegen die Felge drückt.
Traktion
Die Traktion bestimmt die Widerstand des Reifens gegen Rutschen bzw. Wegrutschen. Es gibt drei Bereiche, bei denen Traktion eine wichtige Rolle spielt.
- Bremsen
- Bergauffahren
- Kurvenfahren
Unterschiedliche Reifendesigns - sinbesondere auf der Lauffläche - können die Traktion verbessern oder verschlechtern.
Drei Eigenschaften beeinflussen die Traktion des Reifens maßgeblich:
Traktion wird zusätzlich beeinflusst durch die An- oder Abwesenheit einer Federung und die Haltung und Technik des Fahrer.
Reifenprofile
Profil fürs Gelände
Profile im Gelände können auf zwei Arten die Traktion verbessern:
- Bei harten und unebenen Untergründen können sich die Stollen in aus dem Untegrund ragende Auswölbungen "festkrallen" und die Rutschgefahr vermindern.
- Bei weichen und matschigen Untergründen "stechen" die Stollen in den Untegrund und vergraben sich geradzu und erhöhen so den Grip.
In den späten 1980er Jahren gab es eine Revolution im Profildesign. Den Anfang machte hier der Specialized Ground Control. Dieser Reifen hatte - wie späterer MTB-Reifen auch - große verstärkte Stollen an der Seite des Profils. Die Verstärkungen sollten des Wegknicken der Stollen zur Seite hin verhindern. Diese Stollen erhöhten deutlich die Leistung der Reifen in Sand und Matsch. Die Kontaktfläche mit dem Untegrund wird flach gedrückt und die Stollen werden nach innen gebogen und "greifen" sich wie Zangen den losen Untergrund.
Profil für die Straße
Aquaplaning
Walken
Kombinierte Profile
Größen
Rollwiderstand
Breite und Druck
Druckempfehlungen
Anhänger und Tricycles
Unehrliche Maßsysteme
Ungleiche/passende Reifen
Vorne schmaler, hinten breiter
Vorne breiter, hinten schmaler
Geländespezialitäten
Luftlose Reifen
Kevlar ®
Lauffläche
Wulste
Besonderheiten im Notfall
Einen Reifen mit Drahtwulst falten
Reifenverschließ - Wann sollte man den Reifen austauschen?
Position der Reifenbeschriftung
Laufrichtungsgebundene Profile
Anwendung für die Straße
Anwendung fürs Gelände
Siehe auch
Quelle
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Bicycle Tires and Tubes von der Website Sheldon Browns. Originalautor des Artikels ist Sheldon Brown.