Cantilever-Bremsen einstellen: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 19. November 2019, 13:32 Uhr
Klassische Cantilever-Bremsen sind Felgenbremsen. Im Zusammenhang mit diesem Artikel solltest Du auch Das 1x1 der Felgenbremsen lesen. Dort werden unter anderem auch folgende Aspekte erläutert, die auf alle Arten von Felgenbremsen zutreffen:
- Warum Felgenbremsen?
- Typen von Felgenbremsen
- Zentrieren
- Hebelübersetzung
- Geräusche/Quietschen
- Typen von Bremsschuhen
- Einstellen der Bremsschuhe
Die meisten Probleme mit Felgenbremsen werden durch exzessive Reibung oder schlechte Montage der Züge verursacht. Schlechte Einstellung oder Bremsen geringer Qualität sind zumeist keine Gründe.
- Siehe auch
- Züge - über dir richtige Montage von Zügen und Bremshebeln.
Praktische Tipps zum Einstellen der Cantilever-Bremsen
Theorie und Praxis
Bei WikiPedalia findet sich ein recht theoretischer Artikel zur Cantilever Geometrie mit detaillierten Informationen zu verschiedenen Themen. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf der Feinjustage der Hebelübersetzung dieser klassischen Cantilever-Mittelzug-Systeme.
In diesem Artikel hier liegt der Fokus auf praktischen Tipps, die mit Verweisen zu theoretischen Aspekten versehen sind. Damit sollten auch diejenigen auf ihre Kosten kommen, die die Theorie hinter der Praxis verstehen möchten.
Querzugträger oder Verbindungszug
Klassische Cantilever-Bremsen hatten zwei separate Züge. Es gab den Hauptzug, der vom Bremshebel zur Bremse verlief und den Querzug, der zwischen den beiden Cantilevern gespannt war. Der Hauptzug wurde am Querzugträder befestigt. Das war eine Art Haken, der den Querzug hochziehen konnte.
Diese Art der Cantilever-Bremse funktionierte so lange gut, bis Mountainbikes modern wurden. In dieser Zeit gab es einige harte Landungen, weil der Hauptzug gerissen ist. Der Zug riss am Bremshebel oder an der Umlenkrolle. Durch das plötzliche Versagen des Zugs, sprangen die Bremsarme auseinander und der Querzug blieb an einem Stollen des Reifens hängen, was unter Umständen zu einem sehr plötzlichen Stopp führte. Aua!
Als Antwort darauf erfand Shimano den Verbindungszug. Der Verbindungszug ersetzt den Querzugträger und eine Hälfte des Querzugs. Der Hauptzug wird durch den "Knopf", der als "Querzugträger" dient zu einem Bremsarm geführt und stellt die andere Hälfte des Querzugs dar.
Man sollte einen Reflektorhalter, ein Schutzblech oder andere Vorrichtung einsetzen, um den Querzug davon abzuhalten, in Kontakt mit dem Reifen zu kommen, falls der Hauptzug versagt. Auch mit einem Verbindungszug ist das immer noch ratsam. Man kann es selbst testen, was passiert, wenn man den Bremszug am Bremshebel aushängt.
Auf dem Knopf ist eine Vertiefung eingedrückt, in die man den erweiterten Hauptzug ausrichten soll.
Es gab anfangs einigen Widerstand gegen dieses Verbindungszugsystem, weil es nicht ganz so leicht einstellbar ist wie ein separater Querzugträger - man kann nur zwischen verschiedenen Verbindungszuggrößen wählen. Es ist jedoch ein Fakt, dass das Verbindungszugsystem dem Querzugträgersystem überlegen ist. Anders als bei klassischen Querzügen, bei denen der Querzug über den Querzugträger gebogen ist, auch wenn die Bremse entspannt ist, sind beim Verbindungszug alle Züge gerade. So werden unnötige Bewegungen vermieden und die Bremse lässt sich leichter einstellen.
Verbindungszüge gibt es normalerweise in fünf Längen:
Kodierung | Länge | |
---|---|---|
S | 63 mm | |
A | 73 mm | |
B | 82 mm | |
C | 106 mm | |
D | 93 mm |
Zentrieren
Wenn man die Bremse entspannt (also den Bremshebel loslässt), zieht sich der Bremsschuh von der Felge zurück. Idealerweise machen das beide Bremsschuhe auf beiden Seiten der Felge um den gleichen Umfang. Falls sie das nicht machen, ist die Bremse nicht ordentlich zentriert. Im Extremfall bewegt sich ein Bremsschuh gar nicht von der Felge weg und reibt an der Felgenflanke, ohne dass die Bremse betätigt wird.
Wenn die Bremse nicht zentriert erscheint, sollte man zuerst das Laufrad auf korrekte Montage im Rahmen bzw. in der Gabel prüfen. Wenn das Laufrad schräg montiert ist und man die Bremse falsch einstellt, um das zu kompensieren, hat man jetzt zwei Probleme, wo man vorher nur eines hatte.
Wenn die Bremse jedoch wirklich nicht zentriert ist, ist das häufig ein Resultat von zu viel Reibung auf einem der Cantisockel. Hänge den Querzug aus und bewege mit der Hand die Bremsarme einzeln. Sie sollten sich leicht und frei bewegen lassen und jedes mal an der gleichen Position landen, wenn man sie loslässt. Wenn Du Reibung vermutest, schraube den Bremsarm vom Cantisockel und entferne den Bremsarm. Die Oberfläche des Sockels sollte glatt, frei von Rost und mit Fettgeschmiert sein. Falls er rostig ist, hat der Händler, der Dir das Fahrrad verkauft oder repariert hat, unsauber gearbeitet. Nimm Polierleinen oder Schmirgelpapier zur Hand, um den Rost zu entfernen und um Staub und Sand zu entfernen. Schmiere den Sockel mit Fett und montiere den Bremsarm wieder.
Einstellen der Federspannung
Wenn die Laufräder wohl zentriert sind, die Sockel ordentlich gefettet sind, sich die Bremsarme frei bewegen lassen und die Bremsschuhe auch zentriert sind und dennoch die Bremse nicht gut zentriert wirken, muss man wahrscheinlich die Federspannung bei einem oder beiden Bremsarmen einstellen. Bei den verschiedenen Herstellern kommen verschiedene Systeme zum Einsatz, die Federspannung zu regulieren.
- Federvorspannung: Die meisten neueren Sockel haben eine Serie von drei nebeneinanderliegenden Löchern zur Aufnahme des Federankers der Rückholfeder. Je nachdem, für welches Loch man sich entscheidet, hat man schon eine grobe Vorspanungseinstellung der Rückholfeder vorgenommen. Das innerste Loch erzeugt die höchste Spannung, das äußerste Loch die niedrigste. Bei den meisten Aufbauten liefert das mittlere Loch die optimale Lösung. Beide Seiten der Bremse sollten in die gleiche Position montiert werden.
- Viele Cantilverbremsen von Shimano und Direktzugbremsen haben zur Feineinstellung eine kleine Schraube an (mindestens) einem Bremsarm. Beim System mit nur einer Schraube findet man diese vorne links und an der hinteren Bremse rechts. In den frühen 1990er Jahren benötigte man hierfür einen 2mm Inbusschlüssel, bei aktuellen Modelle reicht auch ein einfacher Kreuzschlitzschraubendreher.
- Cantileverbremsen im Dia Compe Stil haben zumeist ein völlig anderen Ansatz. Beim Dia-Compe-System wird das Federloch des Bremssockels nicht benutzt. Das System liefert einen separaten Federblock mit, der Teil des Cantileveraufbaus ist. Dieser Federblock wird als erstes auf den Sockel geschoben und hat ein eigens Loch zur Federaufnahme. Wenn die Schraube, die den Cantilverarm auf dem Sockel hält, gelöst wird, kann man das ganze System frei rotieren. Sobald die Schraube angezogen wird, wird der Federblock an seiner Position fixiert. Der Federblock hat zwei abgeflachte Seiten, damit man ihn mit einem Maulschlüssel in die richtige Position drehen kann.
Manche Dia Compe Bremsen haben diesen verstellbaren Federblock nur auf einer Seite und benutzen auf der anderen Seite die "normale" Federaufnahme des Rahmens bzw. der Gabel. Manche Bremsen haben den verstellbaren Block auf beiden Seiten.
Hinweis: Die Bremsen, die diesen verstellbaren Federblock haben, benutzen nicht den Cantileversockel als Lauffläche. Stattdessen haben sie eine hohle, zylindrische Buchse, die über den Sockel geschoben wird. Die Außenseite der Buchse bzw. die Innenseite der Sockelaufnahme des Cantileverarms sollte bei der Montage gefettet werden.
- Nicht einstellbare Federn findet man nur an sehr alten bzw. billigen Bremsen. Wenn man diese einstellen will, muss man sie physisch verbiegen. Manchmal kann man die Vorspannung erhöhen, indem man den Querzug aushängt und den Cantileverarm weiter nach Außen zwingt als normal. Falls das nicht funktioniert, kann man auch die Bremse komplett demontieren und die Feder verbiegen. Eine weitere Alternative ist das weiter nach Innen stellen des Bremsschuhs (z.B. durch zusätzliche Unterlegscheiben).
Hebelübersetzung
Anders als andere Bremsentypen kan man bei Cantilever Bremsen die Hebelwirkung einstellen. Hebelwirkung ist das Schlüsselkonzept, das Du verstanden haben solltest, bevor Du anfangen kannst, Bremsen auszuwählen und zu warten. Oft wird über die "Bremskraft" gesprochen, wenn eigentlich die Hebelwirkung gemeint ist. Zumeist glauben viele Leute, dass das ein Ausdruck von Qualität ist. Eine Bremse kann natürlich für einen bestimmte Hebelwirkung ausgelegt sein, aber unter Umständen ist nur eine sehr kleine Bandbreite nutzbar.
Zuviel oder zu wenig Hebelübersetzung?
Leute mit Bremsenproblemen glauben oft, sie bräuchten mehr "Bremskraft". Meisten brauchen sie aber tatsächlich weniger. Im speziellen sind zum Beispiel "moderne" Low-Profile Cantileverbremsen mit kleinen Auslegern davon betroffen, wenn man sie mit Hebeln für Dropbars einsetzt. Diese Kombination erzeugt exzessive Hebelwirkung. Das trifft genauso für Direktzugbremsen wie Shimanos V-Brakes zu, wenn man sie mit nicht passenden Bremshebel benutzt.
Zu wenig Hebelübersetzung
Wenn Deine Bremse zu wenig Hebelwirkung aufbringt, bekommst Du beim Betätigen des Bremshebels zuerst eine schnelle kräftige Rückmeldung. Man merkt tatsächlich bei stehendem Fahrrad beim Ziehen des Bremshebels, dass die Bremsen zupacken und scheinbar gut eingestellt sind. Das Problem ist jedoch, dass die Bremsen das Fahrrad nicht zum Stehen bringen werden, wenn man nicht mit aller Gewalt an den Bremshebeln zieht.
Bei einem Bremssystem mit zu geringer Hebelwirkung werden die Bremsschuhe sehr schnell an die Felge gedrückt. Jedoch wird nicht genügend Druck aufgebaut, um das Rad zügig zu entschleunigen. Die Bremshebel geben eine Gute Rückmeldung, weil die Bremsschuhe nicht hart genug an die Felge gedrückt werden, um sich zu biegen.
Wenn man zu wenig Hebelübersetzung hat, kann es helfen, den Querzugträger weiter nach unten zu montieren, damit der Querzug mehr horizontal verläuft. Bei Low-Profile Cantilevern, kann es helfen, das Profil künstlich zu weiten, um mehr Hebelübersetzung zu erreichen: Man montiert den Querzug so, dass die Bremsarme weiter nach außen wandern und man die Bremsschuhe weiter nach Innen montieren muss, um die Felge zu erreichen.
In manchen Fällen scheint das Problem zu geringer Hebelwirkung vorzuliegen, aber in Wirklichkeit sind die Bremsbeläge nicht griffig genug. Das kann daran liegen, dass sie dreckig, ausgetrocknet oder von schlechter Qualität sind. Bremsschuhe/-beläge von guter Qualität machen hier den Unterschied. Sheldon Brown rät zu den lachsfarbenen Kool Stop Belägen, die gute Reibung und geringen Verschleiß haben.
Zu hohe Hebelübersetzung
Ist die Hebelübersetzung zu hoch, ist der Bremshebel sehr leicht zu ziehen und zumeist hat man den Bremszug bereits komplett gezogen, bevor die Bremsschuhe die Felge erreichen. Dann liegt der Bremshebel bereits komplett am Lenker an und egal wie stark man am Hebel drückt, es passiert nichts. Wenn man versucht , das zu korrigieren, indem man den Zug stärker spannt, erden die Bremsschuhe zu nah an der Felge platziert. Dann besteht die Gefahr, dass sie an der Felge scheuern, insbesondere, wenn das Laufrad nicht perfekt ausgerichtet ist.
Übermäßige Hebelübersetzung kann oft dadurch reduziert werden, indem man den Querzug weiter oben montiert und den Querzug verlängert. Dadurch verläuft er in einem spitzeren Winkel über den QUerzugträger. Unglücklicherweise ist dafür vor allem bei kleinen Rahmen nicht immer genug Platz
Ein spezieller extrabreiter Querzugträger hilft hier weiter. Dieser lässt den Querzug in einem spitzeren Winkel verlaufen als bei einem konventionellen Querzugträger.
Falls man zu viel Hebelübersetzung bei einem Reiserad oder Tandem mit Dropbar Bremshebeln hat, kann man in manchen Fällen mit einem Umlenkrollenadapter die konventionelle Cantilever-Bremse in eine Direktzugbremse umbauen. Jedoch wird die Umlenkrolle auf kurz oder lang zu einem Versagen des Bremszugs führen. Daher muss man hier regelmäßig auf Sicht prüfen.
Variable Hebelübersetzung
Die Hebelwirkung kann sich verändern, wenn man den Bremshebel betätigt.
Idealerweise beginnt man mit wenig Hebelwirkung, so dass man generös viel Platz zwischen Bremsschuh und Felge lassen kann. Mit wenig Hebelwirkung nähert sich der Bremsschuh mit nur wenig Bremshebelweg sehr schnell der Felge.
Je näher der Bremsschuh der Felge kommt, desto höher sollte die Hebelwirkung werden, so dass wenig Hebelweg an der Hand viel Druck auf die Felge erzeugt. Einige hochwertige Produkte wie zum Beispiel hochpreisige Shimanobremshebel mit Servo Wave bieten genau diese Eigenschaft.
Unglücklicherweise arbeiten klassische Mittelzugbremsen genau umgekehrt. Während man am Bremshebel zieht, wird der Winkel des Querzugträgers immer steiler und der Abstand zwischen Gelenk und Zug nimmt ab. Diese beiden Faktoren lassen die Hebelwirkung schwinden.
Da sich der Weg des Bremsschuhs mit fortwährendem Verschleiß vergrößert, nimmt die Leistung der Bremse ab. Das passiert nicht, weil die Bremsbeläge weniger Reibung hätten, sondern weil die Hebelwirkung abnimmt.
Siehe auch
- Das 1x1 der Felgenbremsen
- Cantilever Geometrie
- Die richtige Bremse für mein Fahrrad
- Bremsen für Tandems
- Züge
- Knarzen, Knacken und Quietschen
- Jobst Brandt über quietschende Bremsen (englisch)
- Kompatibilität von Cantilever Bremsen (Tabelle)
- Einstellen von U-Brakes
Quelle
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Adjusting Traditional Center Pull Cantilever Bicycle Brakes von der Website Sheldon Browns. Originalautor des Artikels ist Sheldon Brown.
- Knarzen, Knacken und Quietschen
- Sattelstützenmaße
- Ritzelabstände (Tabelle)
- Auswechselbarkeit von Vierkant-Kurbelaufnahmesystemen bei Innenlagern
- Kettenlinienstandards (Tabelle)
- Ein bequemer Sattel
- Nabenbreiten (Tabelle)
- Alles über Nabenschaltungen
- Shimano Nexus und Alfine Acht-Gang-Naben
- Reifengrößen